Fin de siècle – Wien um 1900

Von der Vergänglichkeit und Endlichkeit, von Verlust und Schuld, aber auch von Hingabe, Vergebung und Trost – und den damit verbundenen menschlichen Dramen…

F. Schubert (Arr.: G. Mahler): »Der Tod und das Mädchen«
A. Schönberg: Verklärte Nacht
G. Mahler / H. Wolf: Lieder für Tenor und Streicher

Stephan Zelck – Tenor
norddeutsche sinfonietta
Leitung: Christian Gayed

Konzerte:

28.02.20, 19.30 h, Rendsburg, Christkirche
29.02.20, 18 h, Husum, Marienkirche
01.03.20, 17 h, Glücksburg, Auferstehungskirche

Vorverkauf Rendsburg: bei der Touristinformation, den Buchhandlungen Göser und Albers sowie dem Musikmarkt erhältlich.

Die Zeitenwende um das Jahr 1900 markierte in vielfacher Hinsicht eine Zeit des Umbruchs: die Industrialisierung ließ die Städte mit allen sozialen Folgeproblemen wuchern; wissenschaftliche Erkenntnisse, Elektrifizierung und Dampfmaschine brachten Quantensprünge in Medizin und Ingenieurswesen; die restaurative Macht des Militärs, der Stände und der Kirche, die sich gegen die Ansprüche einer immer pluraleren Gesellschaft mit partizipativen Forderungen nicht nur von Arbeitern und Frauen wehrten, schuf ein explosives Klima … 

In Europa gärte es an allen Orten – und ein besonderer Brennpunkt war die K.u.K.-Metropole. In nur 40 Jahren verdoppelte sich Wiens Bevölkerung bis 1910 auf 2 Millionen Einwohner. Die Stadt, grenznah nach Böhmen, Ungarn und Italien gelegen, entwickelte sich zu einem kulturellen Schmelztiegel. Die Wiener Secession um Gustav Klimt und Egon Schiele, die Zweite Wiener Schule um Arnold Schönberg und der literarische Zirkel Jung-Wien um Arthur Schnitzler demonstrierten auf allen künstlerischen Gebieten höchstes avantgardistisches Niveau.
Und zwischen alldem begründete Sigmund Freud dort die Psychoanalyse.

 

Arnold Schönbergs jugendliches Meisterwerk Verklärte Nacht entstand im Herbst 1899 während eines Ferienaufenthaltes mit seinem Lehrer Alexander v. Zemlinsky und dessen Schwester Mathilde, Schönbergs späterer Frau.

Noch vor seinen revolutionären Experimenten zur Auflösung der Tonalität übertrug Schönberg hier die Prinzipien der sinfonischen Dichtung nach einem Gedicht von Richard Dehmel auf eine Kammermusikbesetzung. Nach Brahms’ Prinzip der »entwickelnden Variation« spürte er der sich jeweils verändernden Stimmung der Textvorlage nach: Während eines nächtlichen Spaziergangs beichtet dort eine junge Frau ihrem Begleiter ihre Schwangerschaft – von einem Dritten! Der junge Mann tröstet seine Freundin, indem er sich aus Liebe beider anzunehmen bereit ist. Das in kunstvollster Weise instrumentierte spätromantische Sextett erweiterte Schönberg 1917 zu einem Streichorchesterwerk.

 

Gustav Mahler, der Schönberg wenig später kennen lernen und sich mit ihm befreunden sollte, schrieb neben Sinfonien vor allem Lieder. Deren Texte stammen teils aus der alten Volksliedersammlung Des Knaben Wunderhorn, andere schrieb er selbst (so die Lieder eines fahrenden Gesellen). In unserer Auswahl haben wir drei Lieder neu gemischt und für Streichorchester arrangiert: Nicht wiedersehen, Wo die schönen Trompeten blasen und Die zwei blauen Augen. Diese werden ergänzt durch zwei Lieder von Hugo Wolf: Verborgenheit und Verschwiegene Liebe. Jener war nur wenige Monate älter als Mahler und studierte zeitgleich mit diesem in der Klasse von Robert Fuchs am Wiener Konservatorium.

 

Auf ein Lied geht auch Franz Schuberts Streichquartett mit dem Beinamen Der Tod und das Mädchen (1824) zurück. In diesem, einem seiner berühmtesten Werke griff er sein sieben Jahre früher komponiertes Lied (Text: Matthias Claudius) auf, indem er darüber fünf tiefberührende Variationen schrieb. Die drei anderen Sätze stehen ungewöhnlicherweise alle in d-Moll und sind nicht weniger emotional. – 1894 arrangierte Gustav Mahler das Quartett für Streichorchester für eine Aufführung seiner Hamburger Konzertreihe.

 

Tenor: Stephan Zelck  –  Leitung: Christian Gayed