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Vaughan Williams 150* – Paul McCartney 80*
Lange war man überzeugt, dass das englische Liebeslied Greensleeves von König Henry VIII. selbst stammte. Henry (1491 - 1547), der die anglikanische Kirche begründete (weil der Papst eine Scheidung verweigerte), der weitere fünf Frauen ehelichte (und zwei davon hinrichten ließ), hatte nicht nur zur Liebe, sondern auch zur Kunst ein spezielles Verhältnis: er komponierte und dichtete selbst. Ähnlich musikalisch war auch seine Tochter Elisabeth I. Unter beiden erlebte die englische Renaissance eine Blütezeit: Namen wir William Shakespeare, Thomas Morus, Thomas Tallis und John Dowland, aber auch Francis Drake und Englands Erfolge gegen die spanische Armada gehören in diese Zeit.
Auf den ersten Blick haben die Jubiläen zweier großer englischer Komponisten in 2022 damit nichts zu tun – und überhaupt wenig miteinander gemein.
Ralph Vaughan Williams (1872 - 1958) sammelte wie viele seiner Zeitgenossen in Europa um 1900 Volkslieder. Er sah deutlich, dass sich die Welt in einem radikalen Veränderungsprozess befand und mündlich weitergegebene Traditionen immer mehr verblassen und unwiederbringlich verlören gehen würden.
Aber er beschäftigte sich auch kreativ wie wissenschaftlich mit der Musik der Renaissance. Beides beeinflusste seinen Kompositionsstil erheblich. Und so schuf er neben Sinfonien, Opern, Liedern und Kammermusik auch zwei beliebt gewordene Fantasien für Streicher über Musik aus dem 16. Jahrhundert: Über ein Thema von Thomas Tallis (1910) und eben über Greensleeves (1934).
Paul McCartney (*1942) gehört zweifelsohne zu den erfolgreichsten Musikern überhaupt. Mit den Beatles schrieb er von 1960 - 70 Musikgeschichte: Die meisten verkauften Tonträger, die meisten Nr.-One-Hits und -Alben, eine enorme Stilbreite von Folk und Blues über klassische Elemente bis zu Psychedelic und Hard-Rock-Elementen... Danach war er mit den Wings wie als Solokünstler erfolgreich. Seit den 90er-Jahren schrieb McCartney gelegentlich auch für klassische Besetzungen. Wir widmen ihm eine Hommage durch das erste Beatles-Concerto-Grosso – eine Hommage mit Beatles-Tunes im Stile G. F. Händels durch den Arrangeur Peter Breiner.
Weitere Werke stammen von Peter Warlock und Benjamin Britten. Warlocks effektvolle Capriol Suite basiert auf Melodien des französischen Renaissance-Tanzmeisters Thoinot Arbeau (1588). Britten wiederum bezieht sich in seinen Lachrymae auf den elisabethanischen Lauten-Komponisten John Dowland (1563 - 1626), von dem selbst drei songs erklingen.
So schlägt die norddeutsche sinfonietta zahlreiche Brücken aus dem 16. ins 20. Jahrhundert – und eine zurück aus den 1960ern ins 18. Jahrhundert – in Händels Zeit.